Dr. Kurt Bigler / Bergheimer Preis

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Herkunft

Kurt Bergheimer wurde am 13. Dezember 1925 in Deutschland geboren und lebte mit seinen Eltern Josef und Emilie Bergheimer-Bloch in Mannheim. Dort besuchte Kurt die öffentliche Schule und das Realgymnasium, bis die Judenverfolgungen dies nicht mehr zuliessen. Kurt ging deshalb ab 1937 in die für die Kinder der jüdischen Gemeinde gegründete Schule. Im Oktober 1940 wurden die Juden von Mannheim ins Konzentrationslager Gurs in den französischen Pyrenäen deportiert.

Kurt 3jährig
Kurt 1937
Kurts Eltern

KZ und Flucht in die Schweiz

Im Lager Gurs und später in Rivesaltes lernte Kurt all das schreckliche Elend des Lebens in einem Konzentrationslager kennen: Demütigung, Hunger, Dreck, Krankheit, Gewalt und Tod. Er hätte zum Arbeitsdienst bei der Arbeitsorganisation Todt rekrutiert werden sollen. Dank seiner weit blickenden Eltern, die am 8. August 1942 nach Auschwitz deportiert wurden, gelang ihm aber kurz zuvor die Flucht aus Rivesaltes, dem zweiten südfranzösischen KZ.
In einer monatelangen Flucht durch ganz Frankreich mit Hilfe des französischen Widerstands und des OSE (Oeuvre de secours européen pour les enfants juifs) gelangte Kurt Bergheimer im Oktober 1942 bei Genf in die Schweiz.
Er lebte zunächst im Arbeitslager für jugendliche Flüchtlinge in Davesco im Tessin, wo er einige Kinder- und Jugendfreunde wieder fand und damit ein wenig von seiner tiefen Einsamkeit frei werden konnte. In diesem Lager fühlte er sich im Grunde gut aufgehoben, und es war dank einer verständnisvollen Lagerleitung möglich, dem Wissensdrang, den die in Davesco lebenden jungen Menschen besassen, nachzugehen.

Das Leben in der Schweiz

Nach der Auflösung des Lagers in Davesco kam Kurt ins Arbeitslager Hasenberg im Kanton Aargau. Von dort strebte er eine Ausbildung an. Mit Hilfe der jüdischen Flüchtlingshilfe (VJSF) konnte er nach den Kriegsjahren eine Handelsschule in Zürich besuchen, die er erfolgreich absolvierte, obwohl er während der Jahre vorher keine richtige Schulausbildung erhielt.

Kurt 1953

Kurt wurde bei Kriegsende schwer krank und fand nach seinem langen Spitalaufenthalt in Zürich ein Heim bei Frau Berta Bigler, einer unverheirateten Lehrerin in Wabern  (Kt. Bern). 1953 wurde er von dieser mutigen und warmherzigen Frau  adoptiert. Nach zweimaligem Anlauf erhielt er dank dem Einsatz von Freunden, Mitstudenten, Uniprofessoren und auch von Bundesrat Max Weber, einem Freund seiner Adoptivmutter, das Schweizerbürgerrecht.

Kurt Bergheimer, nunmehr Kurt Bigler, holte die Maturität nach und konnte anschliessend studieren. 1954, nach Abschluss seines Doktorats in Geschichte und Deutsch sowie dem anschliessenden, erfolgreichen Besuch der Lehramtsschule in Bern erhielt er eine erste Stelle als Sekundarlehrer in Ins. Er wurde dort wegen seiner Kommunikationsfähigkeit, Freundlichkeit und Lebhaftigkeit sehr bald als Vertreter der Sozialdemokratischen Partei in den Gemeinderat der Gemeinde Ins, dann auch an das Amtsgericht des Amtes Erlach gewählt – zwei Ereignisse, die Kurt stets von Neuem in Verwunderung versetzten: Ein jüdischer Flüchtling und ein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei konnte in einer Berner Gemeinde von Bauern, Kaufleuten und Handwerkern politische Karriere machen!

Hochzeit Kurt und Margrith Bigler (28.12 1959)
Kurt mit Ehefrau, Schulausflug auf den Säntis

1965, sechs Jahre nach seiner Heirat mit Margrith Eggenberger, einer jungen Juristin aus St.Gallen, wurde Kurt Bigler an das Lehrerseminar Rorschach (heute Pädagogische Hochschule) gewählt und lehrte dort Deutsch, Geschichte und Französisch bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1990. Kurt war ein begnadeter Pädagoge, der seinen Schülern und Schülerinnen nicht nur Fachwissen beibrachte, sondern ihnen auch ein ethisch-moralisch hoch stehendes Gemeinschaftsgefühl vermittelte und sie Toleranz und gegenseitiges Verständnis lehrte. Zeit seines Lebens hat er daher auch immer wieder schöne Zeichen von Freundschaft seitens ehemaliger Schüler und Schülerinnen erfahren dürfen.
In Lausanne, wo seine Ehefrau als Bundesrichterin tätig war, arbeitete Kurt bis zu seiner letzten schweren Erkrankung anfangs 2002 auf der Redaktion einer Zeitschrift der Schweizerischen Zentralstelle für Alkohol- und andere Drogenfragen (SFA/ISPA) als Mit-Redaktor und Korrektor für die wissenschaftliche Abteilung.

1994
Kurt und Margrith im Alter 2004

Abschluss eines ereignisreichen, intensiven Lebens

Am 6. Juni 2007 trat Kurt Bigler in das Universitätsspital CHUV in Lausanne ein, wo er operiert werden musste. Nach zwei weiteren Operationen und einer schweren Infektion war sein bisher aussergewöhnlich starker Lebenswille erschöpft. Er erholte sich nicht mehr von seinen schweren Leiden und verliess in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2007 das Erdenleben mit einem herzlichen und versöhnlichen Lächeln. Das Leben hat ihm während über acht Jahrzehnten neben schönen Stunden, Tagen und Wochen auch viel Schmerzen und viele dunkle Momente beschert.


Verfasserin: Dr. iur. Margrith Bigler - Eggenberger, 2008

Erinnerung an Kurt Bigler 2010 in Haslach, Artikel aus dem Offenburger Tageblatt vom 22. September 2010